Freitag, 30. August 2024 – 15:40 albinfo.ch (Dieses Interview ist auf Albinfo.ch erschienen und wurde übersetzt vom Original auf albanisch hier)
Endrit Sadiku ist 29 Jahre alt und strebt in diesem Herbst einen Sitz im Kantonsparlament von Basel-Stadt an. Er arbeitet im Jugendzentrum Kleinhüningen, wo die Mehrheit der Jugendlichen von Migranten:innen-Familien stammen. Endrit ist Projektleiter der Basler „Jugendapp“, ein schweizweites Projekt, und ist für die digitalen Medien verantwortlich. Er hat gerade sein Masterstudium in Sozialer Arbeit sowie einen CAS in „Kommunikation und Medien“ abgeschlossen. Im Interview mit albinfo.ch erklärt Endrit seine Beweggründe für sein politisches Engagement.
Albinfo.ch: Sie kandidieren am 20. Oktober für das Kantonsparlament von Basel-Stadt. Was treibt Sie an, sich in der Politik zu engagieren?
E. Sadiku: Ich bin seit meinem 17. Lebensjahr in der Politik aktiv. Das war vor 12 Jahren, als ich Teil der Jugendsozialist:innen „JUSO“ war. In dieser Zeit war ich Präsident der Schülerorganisation am Gymnasium, Mitglied der Gemeindekommission in Füllinsdorf und habe an vielen verschiedenen Aktivitäten der Sozialdemokratischen Partei (SP) teilgenommen. Derzeit bin ich Co-Präsident der SP im Quartier „Clara-Wettstein-Hirzbrunnen“ in Basel. Mich hat immer fasziniert, wie die Politik unser tägliches Leben beeinflusst, und ich engagiere mich gerne sowohl mit Menschen als auch für Themen, die sie beschäftigen. Genau hier möchte ich ansetzen, Teil der Entscheidungsfindung sein und neue Ideen ins Parlament einbringen.
Albinfo.ch: Welche konkreten Ideen möchten Sie ins Parlament einbringen und voranbringen?
E. Sadiku: Ich arbeite schon seit langer Zeit mit Jugendlichen. Wenn es ihnen gut geht, wird es auch Basel besser gehen. Besonders besorgt mich der Missbrauch sozialer Medien, insbesondere auf der Plattform TikTok. Die Fälle von Radikalisierung von Jugendlichen über soziale Netzwerke in der Schweiz und in Deutschland sind alarmierend. Oft gibt es auf diesen Medien verschiedene Trends, die nicht nur asozial sind, sondern auch fatale Folgen haben können. Zum Beispiel der Fall im März 2024 in Zürich, als ein Jugendlicher aus einer Migrantenfamilie auf offener Strasse eine ihm unbekannte Person schwer verletzte, die israelischer Herkunft war. Der Junge stammte aus einer gut integrierten Familie, aber seine Radikalisierung erfolgte über die Sozialen Medien. Derzeit kursiert auf TikTok der Begriff „Talahons“, das zu einem Trend wird und eine verachtende Haltung gegenüber Frauen und Mädchen bei Jugendlichen fördert. Problematisch ist, dass auch das Alter der TikTok-Nutzer:innen immer weiter sinkt. Die Nutzung dieser Plattform zur Radikalisierung und für terroristische Aktivitäten ist besorgniserregend. Ich denke, es ist dringend notwendig, diese Aktivitäten von Experten:innen überwachen zu lassen und gegebenenfalls rechtlich zu regulieren. Ebenso dringend ist die Problematik von „Fake News“. Mit der weitverbreiteten Nutzung künstlicher Intelligenz florieren derzeit die Fake News.
Albinfo.ch: Was denken Sie darüber, verstehen die Jugendlichen nicht, was Fake News sind?
E. Sadiku: Nur oberflächlich. Aber in Zeiten des digitalen Informationskriegs wird es immer schwieriger, Fake News von glaubwürdigen Quellen zu unterscheiden. Selbst für Erwachsene ist es eine Herausforderung. Wir versuchen, den Jugendlichen zu erklären, dass sie nur sichere Medienquellen nutzen sollen und geben ihnen konkrete Beispiele.
Albinfo.ch: Was ist ein weiteres wichtiges Thema für Sie?
E. Sadiku: Die Teilhabe und Mitbestimmung am demokratischen Prozess. Die Schweiz ist ein Land, das seine Bürger:innen viermal im Jahr anhört. Das ist das, was hier als direkte Demokratie bekannt ist. Obwohl wir in Basel einen hohen Anteil an ausländischer Bevölkerung haben, etwa 38%, sind sie von der Teilnahme an Abstimmungen ausgeschlossen. Laut statistischen Daten haben derzeit nur 50,5% der Einwohner:innen in Basel das Wahlrecht. Angesichts des zunehmenden Zuzugs durch Migration werden wir in naher Zukunft eine Minderheit haben, die für die Mehrheit entscheidet. Ich denke, das ist ungerecht für unsere Demokratie und auf lange Sicht gefährlich für unseren sozialen Frieden. Deshalb fordern wir zusammen mit der Sozialdemokratischen Partei Basel-Stadt die Einführung des Ausländer:innen-Stimmrechts auf kantonaler Ebene. Diese Initiative wird im November zur Abstimmung kommen und soll jenen das Wahlrecht ermöglichen, die, obwohl sie keinen Schweizer Pass haben, eine Aufenthaltsbewilligung besitzen und mindestens fünf Jahre in Basel gelebt haben.
Albinfo.ch: Warum sollten die Bürger:innen – mit oder ohne Migrationshintergrund – Sie wählen?
E. Sadiku: Derzeit sinken die Renten und die Löhne verlieren an Kaufkraft, bedingt durch die Inflation. Die Sozialdemokratische Partei in Basel setzt sich genau für eine Steigerung der Kaufkraft ein. Sie will die Krankenkassenprämien senken und sicherstellen, dass die Mieten erschwinglich bleiben. Im vergangenen Jahr hat die SP den kantonalen Mindestlohn eingeführt, der einen Mindeststandard für Menschen im Niedriglohnbereich sichert, einen Standard, der für ein würdiges Leben in der Schweiz notwendig ist. Dies sind einige meiner Ziele, die ich auch im Kantonsparlament von Basel-Stadt mit voller Kraft weiterverfolgen werde, denn es sind Themen, die sowohl die Einheimischen als auch die Migranten:innen betreffen.
Das Interview führte: S. Tahiri