Machbarkeitsstudie zur Anwendung von KI in der Offenen Jugendarbeit veröffentlicht

Unsere Machbarkeitsstudie, an der ich mitgearbeitet habe, wurde soeben veröffentlicht. Ein paar Gedanken dazu.

Bild JuAr Basel: KI als Triage und Einsatzhelferin für Jugendliche im Notfall

Stellen Sie sich vor: Sie sind eine jugendliche Person, es ist Sonntagabend – und Ihre Eltern geraten erneut in einen eskalierenden Streit. Neben Ihrer Lehrperson haben Sie vielleicht eine weitere Bezugsperson bei der Schulsozialarbeit oder der Offenen Jugendarbeit, der Sie sich anvertraut haben. Doch diese sind im Moment nicht erreichbar und können Ihnen gerade nicht weiterhelfen. Was tun in einer solchen Situation?

Dieser Frage bin ich in den vergangenen elf Monaten gemeinsam mit Prof. Dr. Olivier Steiner von der Hochschule für Soziale Arbeit FHNW, Pascal Heid, wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Hochschule für Technik, sowie Khodor Kandouli (ebenfalls Hochschule für Technik) nachgegangen. Die Studie wurde von der Christoph Merian Stiftung in Basel unterstützt.
Ziel war es, neue technologische und niederschwellige Ansätze zu testen, damit Jugendliche in akuten Belastungssituationen schneller Unterstützung erhalten, ohne gleich die Notrufnummer 117 wählen zu müssen.

KI Chatbot als Triage im Notfall

Mit der von letzter Woche veröffentlichten Machbarkeitsstudie der Jugendarbeit Basel und der Hochschule für Soziale Arbeit FHNW wurde ein erster Schritt in Richtung digitaler Unterstützung für Jugendliche getan. In einem angeleiteten Workshop mit Jugendlichen von JuAr Basel haben wir gemeinsam Fragestellungen entwickelt, die für ihren Alltag relevant sind und eine erste Testversion eines KI-Chatbots auf Basis von Open-Source-Modellen erprobt.

Die Rückmeldungen der Jugendlichen fielen durchwegs positiv aus. Es zeigte sich deutlich, dass sie mit der Nutzung von KI-Tools bereits vertraut sind. Die Anwendung stellte für sie keine neue Hürde dar. Im Gegenteil: KI-Anwendungen gehören längst zu ihrer Lebenswelt. Besonders geschätzt wurde die Möglichkeit, unkompliziert Informationen über Öffnungszeiten oder Veranstaltungen der Offenen Jugendarbeit abzurufen – und im Notfall zu erfahren, an welche Ansprechpersonen sie sich wenden können, wenn unsere Fachpersonen der Offenen Jugendarbeit nicht erreichbar sind.

Das Kleingedruckte mit der Ethik

Klar ist: KI-Anwendungen verbrauchen nicht nur enorme Mengen an Strom (Exkurs: Der Bund rechnet bis 2030 mit einem Anstieg des Strombedarfs um 15 % nur durch die Anwendung von KI – mehr dazu hier), sondern verarbeiten auch grosse Mengen an Daten, die häufig ins Ausland abfliessen. Damit stellen sich grundlegende Fragen – sowohl für die Profession der Sozialen Arbeit als auch für die Praxis der Offenen Kinder- und Jugendarbeit. Diese Fragen lassen sich nur verantwortungsvoll beantworten, wenn auf ein Open-Source-Modell gesetzt wird, das den schweizerischen Datenschutzbestimmungen entspricht und dessen KI-System durch uns kontrolliert und reguliert werden kann.

Allerdings bedeutet das auch, dass viele der benötigten Daten wir selbst erzeugen müssen, um die KI gezielt trainieren zu können. Im Unterschied zu Systemen wie ChatGPT wird unser Modell nicht einfach Inhalte aus dem Internet sammeln und verwerten. Stattdessen braucht es eine sorgfältige Aufbereitung der Inhalte und deren strukturierte Einspeisung über ein zentrales Content-Management-System.

Nur so können wir echte Unabhängigkeit von grossen Tech-Konzernen erreichen – und einen nachhaltigen Mehrwert für Jugendliche schaffen. Für die nächste Projektphase sind wir deshalb auf starke Partner:innen angewiesen, die uns auf diesem Weg unterstützen. Mein besonderer Dank gilt unseren bisherigen Projektpartnern sowie auch unseren Mitarbeitenden, die diesen Prozess engagiert mittragen.